Antisemitismus mit Ankündigung

Antisemitismus mit Ankündigung

Hamas-Unterstützung und Terrorbefürwortung im Bürgerhaus Trier-Nord

Es schien alles ganz harmlos. „Krieg ohne Ende? – Zum Hintergrund des Gazakriegs“, so lautete der Titel der Veranstaltung, die am 5. April 2025 im Bürgerhaus Trier-Nord stattfand. Wer ganz unbedacht den Weg in den Norden der Stadt aufsuchte, hatte sich vielleicht eine neutrale, differenzierte Darstellung des gegenwärtigen Krieges im Nahen Osten, dessen Ursachen und ideologische Hintergründe erhofft.

Wer allerdings ein wenig genauer hinschaute, der hätte schon beim Blick auf das Veranstaltungsplakat und die darauf aufgeführten Veranstalter:innen absehen können, dass von einem faktenbasierten Informationsvortrag keine Spur sein würde. Als Hauptredner war Wieland Hoban von der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ geladen, für eine Podiumsdiskussion wurde ihm eine illustre Runde, bestehend aus Shabnam Shariatpanahi von der DKP, Zina Murad von „Free Palestine Trier“ und Cara Dupont von der SDAJ Trier, an die Seite gestellt.

Die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ inszeniert sich gerne als moralisches, friedensbewegtes Gegengewicht zur jüdischen Mehrheitsmeinung – tatsächlich fungiert sie regelmäßig als Kronzeugin für antisemitische Narrative.

Noch am 7. Oktober 2023, dem Tag des genozidalen Massakers der Hamas , feierte die Gruppe auf Facebook die Terroristen – die noch dabei waren, alle Israelis, die ihnen unterkamen, zu vergewaltigen, zu ermorden oder zu entführen – als „Guerillakämpfer“, sprach von einem „Gefängnisausbruch“ und fabulierte über Israel als angeblich „hilflosen failed state“, der endlich „den Preis des Stolzes“ zahle.

Dass israelische Jüdinnen:Juden wie auch arabische Israelis und Angehörige anderer Staaten massakriert, vergewaltigt und entführt wurden, wurde entweder verschwiegen oder konsequent relativiert. Die Täter seien schließlich Opfer eines „Apartheidsstaates“ [sic!], der „jeden Tag Terrorattacken auf Palästinenser ausübt“. Demgegenüber sei Israel ein Staat, dessen Bürger:innen sich selbst als „Übermenschen“ sehen würden – eine Rhetorik, die sich offen antisemitischer Stereotype bedient.[1]

In den Wochen nach dem 7. Oktober radikalisierte sich der Ton weiter: Die „Jüdische Stimme“ behauptete, Israel betreibe „Nazi-Vernichtungspropaganda“, Gaza sei ein „Konzentrationslager“ und die deutsche Solidarität mit Israel diene lediglich der „Endlösung der eigenen Schuld“. Am 27. Januar 2024, dem Tag des Gedenkens an die Befreiung von Auschwitz, diffamierte man die Erinnerungskultur als politisches Instrument zur Rechtfertigung angeblicher israelischer Verbrechen. Der antisemitische Tabubruch wird hier systematisch kalkuliert: Israel wird explizit mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt – eine klassische Form des Post-Shoah-Antisemitismus.

Die Gruppe wirbt zudem immer wieder für Solidarität mit verurteilten Terrorist:innen wie Rasmea Odeh (PFLP), ruft zu Demos mit dem Motto „Glory to the resistance“ auf – am Jahrestag des Hamas-Massakers –, und stellte noch Monate später die sexualisierte Gewalt der Hamas infrage. Sogar beim antisemitischen Angriff auf den jüdischen FU-Studenten Lahav Shapira im Januar 2024 sah sich die „Jüdische Stimme“ bemüßigt, dem Opfer eine Mitschuld zu geben – eine klassisch antisemitische Täter-Opfer-Umkehr.[2]

Kurz: Die „Jüdische Stimme“ ist keine widerständige Stimme der mutigen jüdischen Friedensaktivist:innen gegen den faschistischen israelischen Staat und seine deutschen Handlanger, sondern eine kleine Gruppe von Brandstifter:innen mit jüdischem Etikett.

Als Mit-Organisatorin stand die Gruppe „Free Palestine Trier“ an der Seite der „Jüdischen Stimme“. Eine Gruppe, die auf ihren Aktionen regelmäßig vom „Genozid“ in Gaza sowie dem vermeintlichen „Kindermörder Israel“ spricht und damit weit von einem in Ansätzen unparteiischen Friedensaktivismus entfernt ist.

Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass das Logo der Gruppe eine Landkarte zeigt, auf der Israel nicht mehr existiert – in Kombination mit dem Namen der Organisation eine Anspielung darauf, dass die Existenz des jüdischen Staates grundsätzlich als eine Besetzung palästinensischer Gebiete interpretiert wird, welche zu befreien seien.

Von daher war der Rahmen, in dem die Veranstaltung stattfand, unmissverständlich gesetzt. Und so verwunderte es nicht, dass Wieland Hoban von der „Jüdischen Stimme“ zu Beginn seines Vortrags bereits die ganz großen moralischen Geschütze herausholte. „Auch, wenn das hier wie ein schöner Frühlingstag aussieht“, leitete er mit Blick auf den Sonnenschein vor den Türen des Veranstaltungsraumes ein, „findet in Gaza die Apokalypse statt“. Das Publikum war, wie im Rahmen solcher Veranstaltungen üblich, sofort aktiviert und konnte sich auch im weiteren Verlauf des Vortrags in einen wohligen Empörungsrausch hineinsteigern. Das Bedienen der immer gleichen Buzzwords, von Genozid bis Siedlerkolonialismus, sorgte dafür, dass am Ende alle Besucher:innen mit dem guten Gefühl nach Hause gehen konnte, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und in ihrem Hass auf Israel bestärkt worden zu sein – und das auch noch von einem jüdischen Kronzeugen.

Wer nach dem Vortrag noch nicht genug von Palästina bekommen konnte, der hatte auch die Möglichkeit, sich an den Infoständen mit Lesematerial zur Thematik einzudecken. Ein Büchertisch zeigte das gesamte Who is Who der „Israelkritik“.

Da war zum Beispiel die ZDF-Nahost-„Expertin“ Helga Baumgarten, die in einem Interview bei den antizionistischen Trotzkisten von „Marx21“ von einer globalen pro-israelischen Hegemonie in den Medien sprach, welche vom israelischen Staat und den jüdischen Gemeinden gesteuert und vorangetrieben werde.[3] Da war aber auch Susan Abulhawa, die Mitgründerin der BDS-Kampagne, die in einem Interview die volle Punktzahl im antizionistischen Bingo abräumte, als sie sich vehement gegen die Bezeichnung des Krieges zwischen Israel und der Hamas als „Konflikt“ wehrte: „Kolonisierung, Kolonialismus und Neoliberalismus sind keine Konflikte. Sie sind Formen der Unterdrückung, der ethnischen Säuberung und Auslöschung. Und die Situation zwischen den Palästinensern und Israelis ist ein Fall von Siedlungskolonialismus und Apartheid“.[4] In einer solchen Situation sei eine Vermittlung zwischen den beiden Parteien nicht möglich bzw. moralisch geboten.

Und eine weitere Autorin lag auf dem Tisch: Ahed Tamimi und ihr Buch „They Called Me a Lioness: A Palestinian Girl‘s Fight for Freedom“. Tamimi griff in der Vergangenheit mehrfach israelische Soldaten, unter anderem mit Steinen, an und wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Eine vorzeitige Haftentlassung wurde ihr deswegen verwehrt, weil sie nicht das kleinste Anzeichen von Reue zeigte. Im Gegenteil, nach ihrer Strafe rief sie dazu auf, „die große Siedlung, Israel, zu beenden“.[5] Im November 2023 wurde sie erneut festgenommen, da sie über Instagram Morddrohungen gegenüber Israelis veröffentlicht hatte. Dort schrieb sie:

„From Hebron to Jenin, we will slaughter you, and you will say that what Hitler did to you is a joke. […] We will drink your blood and eat your skull“.[6]

Ganz so drastisch wie Tamimi wollten DKP und SDAJ ihren Judenhass nicht formulieren, dennoch zeigten sie eindeutig, wie ihre Haltung zum Terrorismus der Hamas aussieht. Eine Ausgabe der DKP-Zeitung „Unsere Zeit“ mit dem Titel „Solidarität mit Palästina – Stoppt den Völkermord in Gaza“ sprach etwa davon, dass am 7. Oktober „palästinensische bewaffnete Kräfte […] Armeestellungen und israelische Siedlungen“ beschossen hätten. Kein Wort zu den bestialischen Morden an Zivilist:innen, von den Vergewaltigungen, von den entführten Geiseln. Ganz im Gegenteil: Der Überfall der Hamas auf Israel sei „eine unmittelbare Folge jahrzehnetelanger aggressiver Unterdrückung der Palästinenser durch Israel“ gewesen, die Verantwortung dafür liege „bei der rechtsextremen israelischen Regierung und ihrer Apartheid-, Kolonial- und Besatzungspolitik“.

Die Verharmlosung von Morden an Jüdinnen und Juden wird auch an anderer Stelle in der Zeitung deutlich. Die Beschreibung der zweiten Intifada beinhaltet nämlich nicht die unzähligen Selbstmordattentate und Schussüberfälle, denen über 1000 Israelis zum Opfer fielen, sondern umfasst ausschließlich folgenden Absatz: „Im Jahr 2000 kam es zur zweiten Intifada. Israelische Besatzungstruppen und israelische Ziele wurden von Kampfgruppen aller palästinensischen Organisationen mit Bomben und Raketen angegriffen. 2005 zog sich die israelische Besatzungsarmee aus dem Gazastreifen zurück“.

Kein Wunder, dass die Charakterisierung der Hamas als Terrororganisation von der DKP empört zurückgewiesen wird; diese sei bloß eine „Partei“, der es um das Wohl der palästinensischen Bevölkerung gehe.

Angesichts der demografischen Schieflage innerhalb der DKP kommt der SDAJ die Aufgabe zu, solche Positionen auch an jüngere Generationen zu vermitteln. Hierfür hat sich die Trierer Ortsgruppe etwas ganz besonderes einfallen lassen. Sie gibt eine eigene Zeitung mit dem Namen „Klasse Macht Schule“ für Schüler:innen heraus, eine Ausgabe unter dem Motto „Free Palestine. Was passiert in Palästina?“. Hier können die Kinder etwa lesen, dass der Staat Israel nicht etwa einen Krieg gegen die Hamas und die mit ihr verbündeten Organisationen führt, sondern „gegen die Menschen in Gaza“. Das ‚westliche Narrativ‘, dass der 7. Oktober der Auslöser für die israelischen Luftangriffe gewesen ist, weisen die Autor:innen von KMS zurück, eigentlich stecke etwas anderes dahinter: „Abgrundtiefer Rassismus. […] Rassistische Äußerungen gegenüber den Palästinenser:innen, den Einwohner:innen Gazas, sind in Israel normal“.

Abgerundet wird der antizionistische Schulspaß mit einem Kreuzworträtsel, das etwa solche Fragen wie „In welchem Land spielt sich aktuell ein Völkermord ab?“ (Antwort laut KMS: Palästina) oder „Welcher Staat führt diesen Völkermord an?“ (Antwort: Israel) beinhaltet. Auch Solidaritätsbekundungen mit den verbotenen Organisationen „Palästina Solidarität Duisburg“ und „Samidoun“ durften in diesem bunten Sammelsurium nicht fehlen. „Samidoun“ ist in Deutschland vor allem deswegen ein Begriff, weil sie am 7. Oktober die Ermordungen, Misshandlungen und Vergewaltigungen von Jüdinnen und Juden mit dem Verteilen von Süßigkeiten auf der Berliner Sonnenallee feierten. Das Verbot der Gruppe wurde vom Bundesinnenministerium folglich dadurch begründet, dass Samidoun antisemitische Terrororganisationen glorifiziert und unterstützt sowie Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele befürwortet. Die Solidarisierung mit der Hamas und die Verbreitung antisemitischer Inhalte waren auch der Grund für das Verbot von „Palästina Solidarität Duisburg“.

Abgerundet wurde der Propagandastand im Bürgerhaus mit vermeintlichen „Fact Sheets“ zum „Genozid in Gaza“, die die Zahl der indirekten palästinensischen Todesopfer auf irgendetwas zwischen 155.406 und 777.030, also zwischen 6,7% und 33,66% der Gesamtbevölkerung Gazas festsetzten. Selbst die Angaben der Hamas mussten augenscheinlich noch übertroffen werden und genausowenig wie diese sah man die Notwendigkeit, zwischen palästinensischen Zivilist:innen und den Terrorist:innen von Hamas oder Islamischem Dschihad zu unterscheiden. In der antisemitischen Projektion sind schließlich alle Palästinenser:innen unschuldige Opfer des jüdischen Staates. Am eindeutigen Gut-Böse-Schema darf nicht gerüttelt werden.

Was bleibt nun von dieser Veranstaltung?

Es war letztendlich alles so, wie man es erwarten konnte. Über die tatsächlichen und komplexen Hintergründe des aktuellen Israel-Hamas-Krieges erfuhr man selbstverständlich nichts. Stattdessen bekam man die Dämonisierung Israels, die Verharmlosung der Hamas und den empörten Gestus der moralischen Überlegenheit serviert – all das ist nicht neu. Es ist genau das, was nicht erst seit dem 7. Oktober, seitdem aber nochmal verstärkt in einem antiimperialistischen, postkolonialen oder sonstwie diffus „pro-palästinensischen“ Milieu verkündet wird.

Erschreckend ist allerdings, dass dieses Milieu nicht mehr nur in irgendwelchen autonomen Räumen seinem Antisemitismus frönt, sondern diesen in öffentlichen Gebäuden der Stadt verbreiten darf – und das obwohl im Vorfeld von verschiedenen Organisationen und Einzelpersonen darauf hingewiesen wurde, was zu erwarten war.

Die Stadt Trier ist dringlichst dazu angehalten, solchen Veranstaltungen des Hasses keine Bühne zu bieten und ihre Räumlichkeiten nur an diejenigen zu vergeben, die wirklich eine Friedensperspektive für den Nahen Osten im Sinn haben.

Für alle Organisationen und Gruppen der Trierer Zivilgesellschaft, die den Anspruch haben, antisemitismuskritisch und solidarisch mit Jüdinnen:Juden zu sein, verbietet sich eine Kooperation mit den Organisator:innen dieser Veranstaltung.


Quellen

[1] Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost (2023): Social Media Post. In: Facebook, 07.10.2023. URL: https://www.facebook.com/juedischestimme/posts/pfbid02HAdseuwHXKVH3d8Am49QDAQRcZCC3mgQ4tXDkFSUX1BoJ3AmQ8fDXrihNdFcyzwdl (Zugriff: 15.4.2025); vgl. IIBSA (2024): Der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Geschichte, Verbindungen, Ideologie und Arbeitsweise. Berlin: Internationales Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung e.V., S. 8.

[2] Vgl. Beck, Pascal (2024): Als Feind markiert. In: Jungle World, 08.02.2024. URL: https://jungle.world/artikel/2024/06/antisemitischer-angriff-auf-einen-juedischen-studenten-als-feind-markiert (Zugriff: 15.4.2025).

[3] Baumgarten, Helga (2022): Palästina: »Schlimm, dass man dazu Mut braucht« | Interview mit Helga Baumgarten. In: marx21, 28.3.2022. URL: https://www.marx21.de/nahostkonflikt-schlimm-dass-man-dazu-mut-braucht-interview-mit-helga-baumgarten/ (Zugriff: 15.4.2025).

[4] Abdulhawa, Susan/Quiering, Miriam (2017): Interview mit der Schriftstellerin Susan Abulhawa: Ein Gesicht Palästinas. In: Quantara.de, 24.5.2024. URL: https://qantara.de/artikel/interview-mit-der-schriftstellerin-susan-abulhawa-ein-gesicht-pal%C3%A4stinas (Zugriff: 15.4.2025).

[5] mena-watch (2018): Ahed Tamimi erklärt öffentlich die Vernichtung Israels als ihr Ziel. In: mena-watch, 27.9.2018. URL: https://www.mena-watch.com/ahed-tamimi-erklaert-oeffentlich-die-vernichtung-israels-als-ihr-ziel/ (Zugriff: 15.4.2025).

[6] Margulies, Joanie (2023): Tamimi: „We will drink your blood; what Hitler did to you was a joke“. In: The Jerusalem Post, 1.11.2023. URL: https://www.jpost.com/arab-israeli-conflict/article-771102 (Zugriff: 15.4.2025).


Autor:innen

  • Luca Zarbock schloss 2023 sein Bachelorstudium der Politikwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Trier ab. Seitdem studiert er Demokratische Politik und Kommunikation im Master, zu seinen Forschungsschwerpunkte gehören israelbezogener und islamischer Antisemitismus sowie die Neue Rechte. Seit 2021 arbeitet er als wissenschaftliche Hilfskraft bei der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung (IIA).

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  • Marc Seul studierte Politikwissenschaft, Philosophie und interkulturelle Gender Studies an der Universität Trier. Er ist Gründungsmitglied und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung (IIA). Daneben ist er seit einigen Jahren ehrenamtlich in verschiedenen Funktionen in der historisch-politischen Bildung aktiv.

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